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    Harald Baal: “Ich bin in der ‘Jäger’-Rolle”

    AiXformation.de hat Harald Baal (CDU) für ein Interview getroffen. Er tritt am 27. September bei der Stichwahl für das Amt des Aachener Oberbürgermeisters an.

    Herr Baal, die Grünen konnten am 13. September ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. Die CDU hat stark an Stimmen verloren. Auch Sie haben ihr Rat-Direkmandat von 2014 an eine grüne Gegenkandidatin abgeben müssen. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie am Wahlabend die ersten Hochrechnungen gesehen haben?

    Harald Baal: Das Ergebnis kam wegen der Umfrage des WDR – zehn Tage vor der Wahl – nicht überraschend. Und 2019 hatten wir die Europawahl, die einen ähnlichen Trend hatte. Für die Arbeit und die Energie, die man reingesteckt hat, und die Ideen, die man ja auch umsetzen will, ist es dann enttäuschend, wenn man nicht den Zuspruch bekommt, den man sich erhofft hat. Da ist die CDU unter dem Ergebnis geblieben, das wir uns gewünscht hätten.

    “Die Frage ist jetzt: Wie kriegen wir Zugang zu jüngeren Menschen?”

    Es waren vor allem Wähler und Wählerinnen unter 25, die sich mit der CDU schwergetan haben. Wie wollen Sie bei der Stichwahl am 27. September gegen diesen landesweiten Trend ansteuern?

    Wir haben keine genaue Analyse für Aachen. Typisch für die CDU in den letzten 40 Jahren war aber ein stärkerer Zuspruch in höheren Altersklassen – und ein schwächerer in den jüngeren. Das ist eine Herausforderung, die sich also nicht nur für die Aachener CDU stellt. Die Frage ist jetzt: Wie kriegen wir Zugang zu jüngeren Menschen? Das macht uns sehr nachdenklich, aber wir haben dafür im Moment noch kein Verbesserungskonzept. Wir versuchen, auch Angebote für Jugendliche zu schaffen. Wir versuchen, alles sehr viel offener und transparenter zu machen, als es früher der Fall war, um damit Interesse für Politik für unsere Position zu wecken.

    Hätten Sie denn im Wahlkampf etwas anders gemacht?

    Für die Bezirksvertretungen, den StädteRegionstag und den Stadtrat sind die Entscheidungen gefallen. Für die Wahl des Oberbürgermeisters sind wir noch mitten im Wahlkampf, und die Bilanz ziehen wir dann, wenn alle Wahlen vorbei, und die Ergebnisse da sind.

    Sibylle Keupen (GRÜNE) hat sich selbst als “Instagram-Queen” entdeckt. Sie sind unter anderem auf YouTube und Facebook unterwegs. Auch wenn Sie sagen, dass das letzte Stück noch vor Ihnen liegt: Was haben Sie in den letzten Wahlkampf-Wochen dazugelernt?

    Die Frage, welche Rolle die sozialen Medien spielen. Wir haben einen starken Auftritt auf Facebook. Wenn man sich auf der Plattform einige Reaktionen anschaut, dann ist die Tonlage teilweise sehr schwierig. Manchmal findet da kein Austausch, sondern ein Bashing statt.

    “Die Mitbewerberin orientiert sich an einer programmatischen Grundlage”

    Apropos Tonfall: “Kompetenz statt Ideologie” ist einer ihrer neuen Wahlslogans. Sicher eine Antwort auf die GRÜNEN. Eine AiXformation.de-Leserin wollte dazu wissen: “Sollte ein Bürgermeister hier nicht eher verbinden?”

    Wir sind jetzt in einer 1:1-Situation. Hier müssen wir herausstellen, wo der Unterschied zwischen der Mitbewerberin und mir liegt. Wenn wir ja alle das Gleiche machen würden, gäbe es keinen Grund, individuell einen zu wählen. Also versucht man mit der Zuspitzung viel deutlicher Unterschiede zu betonen als Gemeinsamkeiten.

    Unterschiedlich ist zum Beispiel unser Werdegang und der Zugang in die Kommunalpolitik. Und in der CDU verfolgen wir einen sehr pragmatischen Ansatz. Das heißt: Wir orientieren uns mit unseren Lösungsvorschlägen an den Problemen. Die Mitbewerberin orientiert sich an einer programmatischen Grundlage. „Kompetenz statt Ideologie“. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wem er stärker zuneigt.

    Sie wollen die Nachfolge von ihrem Parteifreund Marcel Philipp antreten. Werden Sie also den Kurs beibehalten, den er jetzt in den letzten Jahren eingeschlagen hat? Oder wollen Sie grundlegendes verändern?

    Wenn Sie so eine Führungsaufgabe übernehmen, dann setzen Sie die Kurse nicht fort. Die Menschen sind dann individuell unterschiedlich: schon alleine von ihrer Ausbildung, von ihrer Herkunft, von der Art und Weise, wie Sie an Themen rangehen. Das muss auch so sein. Ein neues Stadtoberhaupt ist immer eine Veränderung. Jede Kommunalwahl ist also immer eine Kurskorrektur – nur größer oder kleiner. Die Frage ist: In welche Richtung läuft es eigentlich jetzt in der neuen Ausrichtung? 

    Die Notwendigkeit, Mobilität neu zu denken, und die Herausforderungen des Klimawandels, sind Themen, die bei der letzten Kommunalwahl gar nicht so prägend waren. Und es gibt Themen, die einen völlig unerwartet treffen. Was passiert mit der Schließung eines Conti-Werkes? Was bedeutet es, wenn 1800 Arbeitsplätze bedroht sind? 

    “Es gibt Themen, die man nicht in den Griff bekommt”

    Neben aller unerwarteten Thematiken gab es die Punkte, um die keine Partei herumgekommen ist: Verkehr, Klimaschutz und Stadtentwicklung. Die grundsätzlichen Ideen sind bei vielen Parteien ähnlich. Ist letzten Jahren so wenig passiert, dass sich jetzt also alle einig sind, was zu tun ist?

    Wir haben in der letzten Ratsperiode überwiegend die Entscheidungen einstimmig getroffen. Zumindest die großen Parteien CDU, SPD, GRÜNE, FDP und die LINKE. Aber es gibt Themen, die man nicht in den Griff bekommt. Das Leerstands-Thema ist nicht wirklich im Griff. Das Busfahren-Thema. Hier gibt es zum Beispiel ungeklärte Meinungsverschiedenheiten zwischen Politik und ASEAG. Dafür haben viele Wähler und Wählerinnen die Verantwortung der aktuellen Mehrheit zugeordnet und erhoffen sich von der jetzigen Opposition jetzt eine Veränderung.

    Wo sehen Sie Ihre Fraktionen denn in den nächsten Jahren? In der Opposition? In einer Koalition mit den Grünen? Oder denken Sie, dass es im Rat zu wechselnden Mehrheiten kommen wird?

    Uns geht es ähnlich wie der SPD. Wir haben am Wahl-Sonntag deutlich an Zustimmung verloren. Die Grünen haben stark gewonnen. Das ist eine klare Meinungsäußerung der Bevölkerung, dass der Ball bei ihnen Grünen liegt und sie die Aufgabe haben, Mehrheiten zu schaffen.  Wir sehen unsere Aufgabe eher darin, dass wir erst mal in Ruhe analysieren, wo Fehler gemacht wurden, wo wir schlecht stehen, zu welchen Problemen unsere Antworten nicht in die Zeit passen. 

    Das heißt auch, dass wir versuchen, uns in den nächsten Jahren in der Opposition zu regenerieren, um dann wieder als kompetenter Gestalter zur Verfügung zu stehen. Ich sehe uns im Moment nicht als Koalitionspartner von wem auch immer.

    “Ich bin – in Anführungszeichen – in der Rolle eines Jägers”

    Glauben Sie denn an einen Wahlsieg als OB am 27. September?

    Ja! Die Wahlen sind voneinander unabhängig. Die Ausgangslage ist, dass Sibylle Keupen die Favoritin ist. Ich bin – in Anführungszeichen – in der Rolle eines Jägers. Und es gibt genügend Beispiele, wo solche Situationen zugunsten des Jägers ausgegangen sind. Aber das wird der Wähler eben erst am 27. September entscheiden.


    Das Interview führten Clara Heuermann, Rasmus Epperlein und Vitus Studemund letzten Samstag für AiXformation.de. Unser Interview mit Sibylle Keupen (GRÜNE) findest du hier.

    Vitus Studemund
    Vitus Studemund
    Konnte 2019 seine Freunde überzeugen, ein Online-Magazin für Jugendliche zu starten. Durchwühlt seitdem Datensätze, beobachtet Demonstrationen und schreibt über Politik, Protest und Blaulicht in der Region.

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