1950 wurde der Karlspreis zum ersten Mal verliehen. Seitdem gab es nur wenige Jahre, in denen er nicht verliehen wurde. So fiel zum Beispiel die Verleihung 2020 aufgrund der Corona-Pandemie aus. Zu den prominentesten Träger:innen des Karlspreis gehörten u.a. Konrad Adenauer, Winston Churchill, Bill Clinton, Papst Johannes-Paul II. und Angela Merkel. Auch der Euro und die Europäische Kommission wurden als nicht-personale Träger bereits mit dem Karlspreis geehrt.
Die Anführerinnen der belarussischen Opposition
Zurück zum 9. August 2020. Es ist Wahltag in Belarus. Ein aussichtsreicher Gegner des amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko sitzt seit Wochen in Haft. Auch weiteren Kandidaten der Demokratiebewegung wird die Zulassung verwehrt. Darunter auch Sergej Tichanowski, der später verhaftet wird. Seine Ehefrau entschließt sich daraufhin, statt ihm, selbst als Präsidentin zu kandidieren. Swetlana Tichanowskaja war bisher politisch nicht in Erscheinung getreten, eine Unbekannte. Wohl auch deshalb wurde ihre Teilnahme an der Wahl nicht vorzeitig verhindert.
Sie wird zum Vorwahlkampf zugelassen und schafft es, die nötigen Unterschriften für eine Teilnahme an der Wahl zu sammeln. Sie schließt sich mit Maria Kalesnikava, die den Wahlkampf für einen festgenommenen Oppositionspolitiker koordiniert hatte, und Weranika Zepkala zusammen, deren Ehemann ebenfalls für das Amt kandidieren wollte und fliehen musste. Ihnen gelingt es, die Opposition über politische Grenzen hinweg zu vereinen. Mit einem Ziel: Belarus von der Diktatur zu befreien.
Das angebliche Ergebnis der „Wahlen”: ein deutlicher Sieg für Lukaschenko mit 80% der Stimmen. Swetlana Tichanowskaja gerade einmal 10%. International wird die Wahl scharf kritisiert. Beobachtern zufolge hätte Tichanowskaja die Wahl gewonnen. Die drei Frauen protestieren gegen das Ergebnis. Swetlana Tichanowskaja und Weranika Zepkala verlassen schließlich das Land und gehen ins Exil. Maria Kalesnikava wird festgenommen und sitzt bis heute in Haft. Bei der Karlspreisverleihung soll sie von ihrer Schwester vertreten werden.
Das Karlspreisdirektorium lobt besonders den entschiedenen und furchtlosen Einsatz der drei Frauen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Frieden. Sie seien weit über die belarussischen Grenzen hinaus zu Symbolfiguren für Demokratie und Freiheitskampf geworden.
Die vollständige Begründung des Karlspreisdirektoriums für die Verleihung an die drei Frauen findest du hier.
Das Rahmenprogramm
Mit der Verleihung des Karlspreis ist ein umfangreiches Rahmenprogramm verbunden, das einen Monat vor der Verleihung beginnt und einige Tage danach endet. Es beinhaltet rund 40 Veranstaltungen, darunter unter anderem Vorträge, Filmvorführungen, Ausstellungen und Diskussionsrunden zu Themen, die in einem Zusammenhang mit dem Freiheitskampf in Belarus, demokratischen Problemen Europas und Konflikten in Osteuropa stehen. Die Teilnahme an vielen der Angebote ist kostenfrei. Coronabedingt findet auch in diesem Jahr vieles online statt, was noch mehr Menschen die Teilnahme ermöglicht. Eine Übersicht über das gesamte Rahmenprogramm findest du hier.
Auch zum Rahmenprogramm gehört zum fünfzehnten Mal die Verleihung des Europäischen Karlspreis für die Jugend am 24. Mai, eine Kooperation des Karlspreisdirektoriums und des Europäischen Parlaments. In diesem Jahr haben sich Jugendliche aus allen Mitgliedsländern der EU mit der Rekordzahl von über 460 Projekten, die zur europäischen und internationalen Verständigung beitragen, für die mit 15.000 € dotierte Auszeichnung beworben.
Zwei Karlspreise in einem Jahr?
Anfang März machten 164 Mitglieder des EU-Parlaments einen Vorschlag. Sie forderten einen Sonderkarlspreis für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der sein Land nach dem Ausbruch des Krieges in besonderer Form den europäischen Idealen näher gebracht habe. Er sei bereits länger durch seinen pro-europäischen Führungsstil aufgefallen und habe die Menschen in der Ukraine und in ganz Europa inspiriert.
Das Direktorium freute sich über den Vorschlag, der die Bedeutung des Karlspreises deutlich mache. Der Vorschlag wurde diskutiert, letztendlich entschied man sich jedoch dagegen. Begründet wurde dies damit, dass die Verleihung dieses Preises – der letztendlich nur symbolischen Wert hat, – angesichts der Diskussionen um zu wenig Waffenlieferungen und zu wenig Druck gegen Russland, wie ein Trostpflaster wirken könnte. Es läge nicht daran, dass Selenskyj den Karlspreis nicht verdient hätte, nur sei der Zeitpunkt unpassend. Einen Sonderkarlspreis für den ukrainischen Präsidenten gibt es somit „vorerst nicht”. Ein möglicher Kandidat für den ordentlichen Karlspreis 2023 ist damit aber schon direkt in der Diskussion.
Den Au Huur! Magazin Bericht über den Karlspreis 2020/2021 findest du hier.