Über zu wenig Interesse konnten sich die Aachener Grünen am Samstagmittag nicht beschweren. Die Schlange zur Wahlkampf-Kundgebung reichte wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen vom Katschhof bis in die Pontstraße. Der Grund: Annalena Baerbock. Die heutige Außenministerin besuchte Aachen schon vor der Kommunalwahl 2020 und zur Bundestagswahl 2021, damals noch als Co-Vorsitzende ihrer Partei. Um Spitzenkandidatin Mona Neubaur bei der NRW-Landtagswahl zu unterstützen, war sie jetzt zum dritten Mal in Aachen.
Im Mittelpunkt: Kyjiw statt Düsseldorf
Auch die Aachener Direktkandidaten Astrid Vogelheim, Laura Postma und Philipp Noack konnten sich über den Besuch aus Berlin freuen. Im Fokus stand jedoch an vielen Stellen nicht die Wahl am 15. Mai, sondern der Krieg gegen die Ukraine und die Debatte um deutsche Waffenlieferungen, die Baerbock unter Beifall verteidigte.
Übertönt wurde die Kundgebung zeitweise von lautstarkem Gegenprotest. Querdenken- und Impfgegner-Gruppen hatten nach Informationen von Au Huur! Magazin bereits seit Anfang der Woche im Großraum Aachen dazu mobilisiert. Darüber berichteten auch die Aachener Nachrichten/Aachener Zeitung. Neben AfD-Mitgliedern nahmen auch einzelne linke Gruppierungen, die sich von der Querdenken-Bewegung distanzieren, am Protest hinter dem abgesperrten Bereich teil.
Antisemitische Beleidigungen gegen Baerbock
Die Parole “Kriegstreiber” konterte Mona Neubaur: “Es gibt einen, der Kriegstreiber ist, und das ist Wladimir Putin”. Teile des Gegenprotests stimmten Sprechchöre gegen einen Aachener Journalisten an, der immer wieder über Rechtsextremismus und Verschwörungserzählungen berichtet. Auch unser Reporter wurde angepöbelt.
Zwei Teilnehmer hielten Plakate hoch, auf denen auf antisemitische Verschwörungserzählungen um den US-Milliardär George Soros angespielt wurde. Während der Europa-Abgeordnete Daniel Freund Fragen aus dem Publikum an Baerbock stellte, beschimpfte sie eine Frau aus dem Gegenprotest als “Judensau”. Bei einem Mann, der eine “Bananenrepublik”-Deutschland-Flagge schwenkte, schritt die Polizei nach Informationen der AN/AZ ein – offenbar wegen “Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole”. Mit der Metapher “Bananenrepublik” soll Deutschland als moralisch und politisch zusammengebrochenes Land beschrieben werden.
Anti-NATO-Demo im Anschluss
Teile des Gegenprotests zogen nach der Grünen-Kundgebung zum Elisenbrunnen. Hier demonstrierten Gruppen aus der Friedensbewegung 2014 und von den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen für einen „gemeinsamen Frieden mit Russland“. Auf der Demonstration trat auch der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko auf, er forderte, den 8. Mai als Tag der Befreiung zu einem Feiertag zu machen.
Die Kundgebungen, die auf einen Austritt Deutschlands aus der NATO drängen, fanden schon vor dem Krieg regelmäßig in Aachen statt. Die Organisatoren stellten noch eine Woche vor dem russischen Überfall auf die Ukraine eine Pressemitteilung ins Netz, in der sie von der Kriegsbereitschaft der NATO sprachen und behaupteten, „das Narrativ von der Kriegsbereitschaft Russlands, das im Westen lautstark verbreitet wird, entbehrt jeglicher Grundlage!“ Der Text ist bis heute online.