AiXformation.de: Julia, wer in Aachen aufsteht und das Radio anschaltet, wird von deiner Stimme begrüßt. War es schon immer dein Wunsch, Radio-Moderatorin zu werden?
Julia: Wendel: Nein, tatsächlich nicht! Eigentlich wollte ich schon immer Journalistin werden. Schon als ich klein war, fand ich rasende Reporter wie „Karla Kolumna“oder die Live-Schalten in der Tagesschau cool. Zum Radio kam ich dann per Zufall über eine Schüler-Hospitanz beim Saarländischen Rundfunk. Ich durfte eine Woche lang einen Nachrichtenredakteur begleiten und etwas einsprechen, er war von meiner dunklen Stimme beeindruckt.
Danach war es für mich nicht möglich an ein Praktikum zu kommen, bis ich mich beim Kellnern zufällig mit einer Moderatorin von SWR1 unterhalten habe. Dadurch bin ich an eine richtige Hospitanz gekommen, habe mir ein Mikro geschnappt, durfte einen Beitrag zu Harry Potter und J. K. Rowling machen und habe als Hospitantin sofort die Sprechfreigabe bekommen! Danach habe ich dort noch anderthalb Jahre als freie Mitarbeiterin gearbeitet.
Das klingt echt beeindruckend! Würdest du dich als Rampensau bezeichnen?
Ja! (lacht)
Warst du denn auch schon in deiner Jugend so?
Auf jeden Fall! Sobald es eine Bühne gab, war ich drauf. Bei einer Fastnachtsfeier in meinem Dorf habe ich alleine einen Song performt – und sogar den zweiten Platz gemacht.
Dafür muss man schon mutig sein, oder?
Ich glaube, dass man gerne im Mittelpunkt stehen sollte. In diesen Momenten ist das mein Natural Habitat!
Im März hingen ja plötzlich an 350 Bushaltestellen in Aachen Werbe-Plakate mit deinem Gesicht darauf. Wie fühlte sich das an?
Richtig krass! Ich konnte es am Anfang gar nicht glauben. Das war eine ganz große Nummer. Eine Mega-Aktion und eine große Chance! Da wurde schon sehr an mich geglaubt.
Du bist sehr viel und sehr ehrlich auf Social-Media unterwegs. Verträgt sich das mit dem Bild der immer gut gelaunten Morningshow-Moderatorin, dass viele Menschen im Kopf haben?
Natürlich hat man das im Hinterkopf. Ich liebe meinen Job, aber es ist ganz normal, wenn man mal müde ist oder einen schlechten Tag hat. Alles andere wäre auch unauthentisch.
Du hast aber leider nicht nur Fans. Am Anfang deiner Zeit bei 100,5 gab es online auch viele negative Kommentare.
Für mich war das am Anfang schlimm, ich habe vorher mit meiner Sendung nicht so im Rampenlicht gestanden und hatte deshalb auch weniger negative Resonanz. Es ist wohl wie bei den Restaurant-Bewertungen auf Google, dort sieht man fast immer nur negative Bewertungen, weil sich Leute, die zufrieden sind, eben nicht äußern.
Es gibt einen dicken Unterschied zwischen Feedback und Meinung – und Hass, Beleidigung und Hetze. Beleidigungen von anonymen Personen, die ihren Frust und ihre Unzufriedenheit an mir abregen möchten, gebe ich mir nicht mehr. Es ist verletzend und nicht konstruktiv. Mails und Kommentare zum Programm mit ehrlicher Meinung und Anregungen lese und beantworte ich gerne
Wie bist du damit umgegangen?
Ich habe erstmal geheult! (Lacht) Es hat mich sehr beschäftigt. Ich habe dann aber einfach irgendwann aufgehört, es zu lesen. Unsere Community auf Facebook und Instagram ist aber größtenteils wirklich positiv und nett!
Für dich geht es morgens früh los – wie lange bleibst du dann noch im Sender?
Momentan bin ich durchschnittlich von fünf bis halb eins im Sender. Die Sendung für den nächsten Tag plane ich auch schon. Die ist, wenn ich gehe, allerdings nie ganz fertig. Dafür habe ich ein großes Team. Eine Stunde Sendung braucht circa eine Stunde Vorbereitung.
Zu Ende bist du in Aachen noch nicht angekommen. Trotzdem hast du schon einige Leute kennengelernt. Wie findest du die Menschen in der Stadt?
Ich mag diese ruppige Art. Die Leute sind erstmal ganz ruppig, überlegen dann kurz und sind danach total lieb (grinst)!
Am Fettdonnerstag bist du in der 100,5-Arena als Moderatorin aufgetreten. Man kennt dich aber auch von Debatten. Beispielsweise beim CSD in Mainz, den du seit einigen Jahren moderierst. Wie stehst du denn politisch? In Aachen regiert gerade erstmals eine grüne Oberbürgermeisterin.
In Zeiten des Rechtsrucks sage ich: „Je linker, desto besser“. Bei Sibylle Keupen finde ich super, dass wir wie mit Henriette Reeker in Köln eine Frau in dieser Position haben. Ich denke, dass Sie Ahnung von ihrem Amt hat und das super machen wird.
Hast du denn zum Zeitpunkt der Kommunalwahl gemerkt, wie die Aachener politisch ticken?
Nein, eher nicht. Ich finde es aber unglaublich beeindruckend, wie sehr sich die Öcher sozial engagieren, auch bei der Schließung von Continental. Heimatliebe wird hier einfach unheimlich großgeschrieben. Wenn jemand in der Stadt ein Problem hat tun sich immer sehr viele zusammen, um diese Leute zu unterstützen. Es ist schon heftig, was da für Kräfte mobilisiert werden.
Vielen Dank für das Gespräch und deine Zeit!
Das ist Julia Wendel
Julia Wendel ist 28 Jahre alt und arbeitet seit diesem Jahr als Radio-Moderatorin bei dem Aachener Lokal-Sender 100,5. In ihrem Podcast “Ungeschminkt – der Mädelsabend” lacht und streitet sie leidenschaftlich über Babys, Beziehungen und Karriere. Außerdem tritt sie als Event-Moderatorin und Traurednerin auf.
Dieses Interview erschien zuerst am 17. November 2020 auf AiXformation.de.