In der Nähe von Frankfurt am Main haben viele Aktivist:innen mehrere Waldflächen besetzt. Sie wollen die momentan laufende Rodung für eine neue Autobahn stoppen. Zum Beginn der Rodungssaison hat AiXformation.de den Bruder des Hambacher Forstes vor Ort besucht.
Die neue Autobahn
Die seit vielen Jahren geplante A49 soll mit 37 Kilometern Länge für schnellere Verbindungen sorgen, die A7 und die A5 entlasten und auf der Strecke neue Städte anbinden. Diese Planungen sorgen aber für viel Kritik – gerade von Umweltschützern, denn der Nutzen ist fraglich und für den Bau müssen Wälder weichen. Im Detail soll die Autobahn durch den Maulbacher Wald, den Herrenwald und den Dannenröder Wald verlaufen. Vor ungefähr einem Jahr wurde letzterer nach dem Bau der ersten Baumhäuser bundesweit bekannt.
Der Dannenröder Forst – und der Hambi
Gerade Aachener könnte das bekannt vorkommen. Denn ähnliches gab es auch schon direkt in unserer Region. Im Hambacher Forst (“Hambi”) wurden jahrelang Baumhäuser und Barrikaden gebaut, um eine Rodung zu verhindern. So wie der Hambacher Forst zum Symbol gegen die Braunkohle wurde, gilt jetzt der Widerstand beim “Danni” als Zeichen gegen die Verkehrspolitik der letzten Jahre.
Sonntagsspaziergänge durch den Wald gibt es jetzt auch im Dannenröder Forst. Am Sonntag vor einer Woche, dem 11. Oktober, war dabei auch die bekannte Kapitänin und Klima-Aktivistin Carola Rackete vor Ort. Nach dem Programm auf dem ehemaligen Fußballplatz in Dannenrod ging es nicht nur durch den größten der drei Wälder, sondern auch mit dem ehemaligen Förster Karl-Heinz Zulauf durch den Maulbacher Forst (“Mauli”).
Ein Spaziergang durch den Maulbacher Forst
Im Wald angekommen kippt die Stimmung bei den meisten Teilnehmern der Führung. Auch Zulauf bedrückt die Situation: Eine große Schneise führt durch den Wald. Auf dem Boden liegen Baumstämme und Baumkronen. Hier wurde vor einer Woche mit der Rodung angefangen. Vermutlich, weil der Maulbacher Forst da noch kaum im Fokus der Aktivist:innen lag.
Nur zwei Baumhäuser mussten von der Polizei geräumt werden. Allein dieser Einsatz dauerte schon drei Tage. Laut Karl-Heinz Zulauf sei die Polizei, die mit ca. 70 Autos vor Ort war, weitgehend gewaltfrei vorgegangen. Dass sie das Gebiet so weitläufig abgesperrt hat, dass man nichts von der Räumung sehen konnte, und dass sogar die Presse an ihrer Arbeit gestört wurde, sorgt bei der Führung für viel Unverständnis und Wut.
Um komplizierte Enteignungsverfahren wie beim Tagebau Hambach zu vermeiden, habe man bewusst die Autobahn durch die Wälder geführt, die im Besitz von Bund und Land sind. Für die 30 Kilometer lange Abkürzung, die durch die neue Autobahn entstehen sollen, lohne sich das nicht – da sind sich die Teilnehmer der Führung einig. Karl-Heinz Zulauf betont auch, dass die gefällten Bäume zwar verwertet und Ausgleichsfläche geschaffen werde, jedoch könne das die intakte Waldstruktur nicht ersetzen.
Polizei und Aktivist:innen im Herrenwald
Zurzeit findet das Geschehen rund um die drei Wälder größtenteils im “Herri” statt. Dort wird momentan gerodet. Die Aktivist:innen waren auch hier darauf wenig vorbereitet. Einige “Baumhausdörfer” stehen trotzdem.
Täglich stürmen Aktivist:innen aus anderen Wäldern und Camps in den “Sicherheitsbereich” – das Gebiet, das wegen der Rodungen nicht betreten werden darf – um die Fällarbeiten zu stoppen. Der Grund: Dann muss der Bereich erst wieder durch die Polizei geräumt werden. Gerade, wenn Leute auf Bäume klettern, kann das zeitaufwendig werden. Damit die Personen nicht herunterfallen, muss die Polizei vorsichtig vorgehen und jedes Mal Hebebühnen aufstellen.
Die Polizeipräsenz ist enorm. Hinter dem kilometerlangen Absperrband, das den Rodungsbereich kennzeichnet, steht alle 10 Meter mindestens eine Polizeikraft. Straßen und Wege sind mit großen Polizeiautos vollgeparkt.
Neben den Vorwürfen der Besetzer:innen von Polizeigewalt wird auch hier Kritik vieler Medienschaffender laut, die Polizei erschwere die Pressearbeit. Zu selten und zu spät würde das Beobachten der Räumung ermöglicht werden. Unser Reporter vor Ort konnte dies auch feststellen. Die Polizei hingegen erläutert, der Zugang zur Räumung könne in den Momenten aus Sicherheitsgründen nicht gewährleistet werden. Außerdem berichtet sie vereinzelt von Gewalt gegen die Beamt:innen.
Und im Dannenröder Forst?
Hier bereiten sich alle Seiten unterdessen auf die Rodung vor, die vermutlich in den nächsten Tagen starten wird. Um diese zu verhindern, werden Barrikaden errichtet, wo es nur geht. So stehen auf jedem Waldweg alle paar Meter Holzhaufen im Weg, oder große Gruben werden gegraben.
Abseits der Wege sieht man immer wieder “Baumhausdörfer”, also lokale Ansammlungen von Baumhäusern. Diese sind unterschiedlich groß und hoch, teilweise 20 Meter weit oben in den Kronen. Auffällig sind auch die Seilkonstruktionen, die quer durch den Wald gespannt sind. Oben in den Kronen sollen diese das schnelle hin- und herwechseln zwischen den Bäumen ermöglichen.
Außerdem sind einige Seile an Barrikaden auf den Wegen befestigt, an denen “Lebensgefahr” steht. Denn an den Seilen hängen Stühle und Hängematten, in die sich die Aktivist:innen im Falle der Räumung setzen wollen, damit die Polizei die Barrikaden nicht so leicht räumen kann.
Ein Camp dient als zentrale Stelle
Als zentrale Stelle des Widerstands dient das Camp am Dannenröder Forst. Hier wird den Aktivist:innen Platz geboten, die nicht dauerhaft vor Ort sind und deswegen nicht in den Wald ziehen wollen. Viele der circa 150 Camper ziehen jeden Tag früh morgens, manchmal vor 5:00 Uhr, los, um die Stellen der Rodung zu besetzen, bevor die Polizei da ist. Andere helfen beim Kochen, Toilettenputzen oder bei der Essensausgabe.
Das Camp wird von dem Bündnis Wald statt Asphalt organisiert. Es besteht aus verschiedenen Umweltorganisationen, zum Beispiel Fridays for Future, Ende Gelände und Extinction Rebellion. Seit dem 12. September wird dort geschlafen und gegessen, ein Enddatum gibt es nicht.
Fridays for Future Aachen solidarisiert sich mit der Besetzung
Auch die Aachener Ortsgruppe von Fridays for Future steht hinter dem Protest in Hesssen. Das Orga-Team besuchte den Wald in den Herbstferien und solidarisierte sich am Donnerstag mit den Besetzer:innen.